Warum so plötzlich...?

 

 

Es tut so unendlich weh. Zeitweise habe ich das Gefühl, dass ich es überhaupt nicht ertragen kann, den Schmerz nicht aushalte - aber ich weiß, dass ich es kann, es ist ja nicht das erste Mal, dass ich mit einem derart schwerwiegenden Verlust fertig werden muss. Dennnoch fange ich erst heute an, die Tragweite zu ermessen - dass Robin wirklich nicht mehr da ist, dass dieses "Nie mehr" tatsächlich für immer ist. Gestern überwog noch die Erleichterung, dass er sich nicht mehr quälen muss, dass wir mit der Tierärztin nicht erst diskutieren mussten - sie hat nach ein paar erklärenden Sätzen und einem Blick in mein Gesicht verstanden. Und uns voller Empathie geholfen, Robin friedlich einschlafen zu lassen.

 

Benni und ich, seine Familie, waren ihm bis zum Schluss ganz nah. Ich hatte meinem Hund schon vor langer Zeit versprochen, ihn niemals im Stich zu lassen...

 

Warum musste das jetzt so plötzlich sein?

 

Der akute Anlass ging weder von mir noch von Robin aus, denn ihm ging es so gut oder schlecht wie schon die ganze letzte Zeit.

 

Montag war ein heiterer Tag, obwohl ich nach zwei Wochen im Empfangssekretariat noch weiteren zwei Wochen Vertretung (dieses Mal der anderen Sekretärin) nicht ganz so motiviert entgegensah. Bis mich unsere Chefin zum Gespräch in ihrem Zimmer hinter verschlossenen Türen bat – kein gutes Zeichen. Sie kam dann auch gleich zur Sache. Es ging um Robins Inkontinenz, die für die Teppichböden in der Firma nicht mehr tragbar war. Irgendwo war es mir auch vorher schon klar, dass die diversen kleineren und leider auch größeren Vorkommnisse mit Sicherheit nicht unbemerkt geblieben waren, aber ich wollte es mir aus Angst vor den Konsequenzen nicht eingestehen. Meine Chefin hat es mir freundlich gesagt, mit Anteilnahme, ich hab ihre Sichtweise auch verstanden. Sie bat mich, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden, schlug Windeln für den Hund vor oder eine Betreuung außerhalb der Firma. Beide Möglichkeiten hätte Robin nicht toleriert. Die Sache mit den Windeln hatte ich vor Rügen schon versucht, das ging ganz und gar nicht. Und ohne mich konnte und wollte Robin nicht mehr sein. Allein bei Benni, seinem Bruder, wäre es möglich gewesen – aber Benni muss ja auch arbeiten…

 

Für mich brach nach diesem Gespräch meine Welt zusammen. Benni und ich haben abends lange geredet, über Betreuungsmöglichkeiten für das arme Rentnerlein nachgedacht, die er jedoch allesamt nicht toleriert hätte. Wir waren in die Enge getrieben, in eine Enge, aus der es nur noch einen einzigen, finalen Ausweg zu geben schien. Es bestand einfach keine Hoffnung mehr auf Besserung seines senilen, inkontinenten Zustands, der Verfall war nicht mehr aufzuhalten. Wenn ich nur irgendeine (finanzielle) Möglichkeit gesehen hätte, meinen Hund zu Hause bis zum Schluss zu betreuen – ich hätte es getan. Wobei ich aber auch keinen Schrecken ohne Ende für uns beide hätte haben wollen. Irgendwann wäre der Tag gekommen, an dem ich die Entscheidung, Robin weiteres Elend zu ersparen, hätte fällen müssen.

 

Und so haben Benni und ich beschlossen, nicht mehr zu warten, obwohl mir meine Chefin keinen zeitlichen Druck gemacht hatte. Eine solche Aufschiebesituation hätten wir nicht ertragen und ich denke, auch Robin hätte unsere Anspannung gespürt.

 

Es war eine sehr lange, qualvolle Nacht, in der ich mich gefragt habe, ob ich das einfach darf – Robins Leben beenden zu lassen. Ich hatte so einen Horror davor, dass die Tierärztin sagen würde, dass sein Zustand noch nicht final sei. Einerseits hätte ich mich gefreut, wenn wir Robin wieder mit nach Hause hätten nehmen können – aber was dann? Diese Ungewissheit hat mich zermürbt, während Rentnerlein grunzend pofte. Er hatte sich an seinem letzten Abend seinen Bauch noch einmal sehr ordentlich vollgeschlagen und war von meiner spendablen Großzügigkeit begeistert.

 

Gestern Morgen bei der Tierärzin führte er sich dann so auf wie „Robin auf Besuch“ – er fand das Ganze spannend, wirkte heiter und gelassen. Und hat uns bis zum Schluss vertraut.

 

Ich weiß, die Entscheidung war richtig, aber es tut so unermesslich weh. Ich hatte niemals einen besseren, einen treueren Freund und Kumpel als Robin. Er hat immer zu mir gehalten, egal, welcher Beziehungsversuchsirrtum schief gegangen, egal welche Kacke am Dampfen war. Er hat mich trotz meiner zahlreichen Macken geliebt, einfach so wie ich war.

 

Und ich werde diesen Hund immer lieben.

 

Mich tröstet es, dass Robin ein Schrecken ohne Ende, aber mit viel Leid erspart geblieben ist. Er wirkte bis zum letzten Tag zufrieden mit seinem kleinen, wenn auch schon sehr eingeschränkten Leben. Ich bin so froh und glücklich, dass wir noch diese intensive Zeit auf Rügen zusammen verbringen konnten, in der er richtig aufgelebt ist. Und sie zu genießen wusste, das Schlitzohr.

 

Möge seine liebe Seele ihren Frieden gefunden haben.

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