...shoot the whole day down

Während sich der noch junge Montag (immerhin erst fünfeinhalb Stunden alt) mühsam entfaltete, regnete es gemütlich aus einem ziemlich blauen Himmel. Ich  beschloss, dass das bis halb 7 aufhören würde, denn schließlich wollte ich mir den einzigen Genuss an einem Arbeitstag, meine frühlich frische Fahrradfahrt durch Frankfurt, nicht nehmen lassen. Und das funzte tatsächlich, bis, ja bis...

Totalplatter vorn... 

Erst schlingerte mein Gefährt und dann sah ich die Bescherung. Ein einigermaßen "sicherer" Parkplatz musste her, die Zeit drängte, die Arbeit brüllte nach mir. Also parkte ich mein Rad vor einer Bank-KiTa und stolperte zu Fuß ziemlich weit...

...bis zur neksten Straßenbahn.  Überfüllt war diese, aber durchaus fahrtüchtig. Danach wieder ein ganzes Stück zu Fuß, dann S-Bahn, alles in allem war ich eine Dreiviertelstunde später da als sonst und wurde schon vermisst.

 

Der Tag wurde und wurde nicht besser. Aus datenschutzrechtlichen Gründen lasse ich mich darüber an dieser Stelle nicht detailliert aus - nur soviel... QA kann schon ganz schön effektiv mit dem Trennmesserchen das Nervenkostüm zersetzen...

 

Egal, guter Rad musste her für das Rat. Also googelte ich in der Mittachspause nach einer guten Fahrradwerkstatt entweder in der Nähe des Plattschusses oder bei mir in Sachsenhausen. Hier wurde ich fündig. Das Problem war nur - wie sollte ich mein gutes Ratt dorthin bekommen?  S-Bahn schied wegen Tunnelsperrung aus, die anderen Öffis sind seit Wochen aus diesem Grund überfüllt, U-Bahn war mir wegen der langen Rolltreppen mehr als suspekt...

 

Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt. Bei 32°C durch ein paar Meter Westend, danach gefühlte 25 km Bahnhofsviertel... Erschwerend kam hinzu, dass  mein armes Ratt nun auch hinten total platt war. Zufall war das bestimmt nicht. Es ließ sich nur noch sehr holprig fortbewegen, was den Fitnesseffekt enorm verstärkte.

 

Es waren traurige, teilweise ekelerregende Szenen, die ich im Bahnhofsviertel beobachten musste. Auf der einen Seite eine sehr hohe Polizeipräsenz, die Personalien feststellte, auf der anderen Seite Menschen vollgepumpt mit bewusstseinsverhindernden Substanzen, pöbelnde Betrunkene, Zuhälter, Kleinkriminelle, Laufhäuser (seltsamer Begriff, aber das stand da dran), Clubs, Rotlicht, ein paar hilflos wirkende Touris,  Obdachlose, die im Schatten der Bankentürme mit dem Gesicht auf dem Bürgersteig schliefen. Billigshops, Uringeruch, Frittenfett, Abgase... 

 

Irgendwann hatte ich trotzdem den Main erreicht. Die Bank im Schatten, von der ich im Bahnhofsviertel geträumt hatte, gab es dort nicht. Also weiter, immerhin hatte ich ja schon die Hälfte des Weges geschafft. Meine Füße schmerzten, ich hatte nicht vorgehabt, mit meinen etwas unbequemen Schuhen weit zu laufen... 

 

Immerhin hatte ich auf der Homepage meiner auserwählten Fahrradwerksatt Kettenesel gesehen, dass sie bis 20:00 Uhr geöffnet haben. Bis dann würde ich mein reifenlahmes Ratt dort abgegeben haben. Schnell ein paar Schlucke warmes Wasser aus der Pulle und dann weiter. Es zog sich. Wobei die Schweizer Straße zwar auch sehr voll war, dafür aber angenehmer als die Straßen des Elends auf der anderen Mainseite.

 

Im Schaufenster eines Designershops erblickte ich eine stark schwitzende Frau mit einer knallroten Rübe und einem kaputten Fahrrad. Ziemlich lahm, alle beide... hoffentlich würde mich der Kettenesel so überhaupt reinlassen.

 

Egal. Ich war froh, mein Ratt geborgen zu haben. Ich hätte es nicht im Stich lassen wollen... und immerhin stützte es mich ein wenig, während ich es zum kranken Haus geleitete.

 

Schließlich hatte ich die Gutzkowstraße gefunden, welch  ein Glück. Mein vertrocknetes Hirn gaukelte mir schon fröhliches Eselwiehern vor, doch sehen konnte ich ihn noch nicht. Und noch eine Querstraße, noch eine - da erschien plötzlich ein grinsendes Eselgesicht mit Pfeil nach rechts! Der Kettenesel, yippppieeeh. Ratt, gleich wirst du geholfen und wir sausen später mit 100 Sachen stracks nach.... 

Und dann musste ich mein armes Schlachtross doch noch im Stich lassen. Angekettet vor dem Kettenesel. Ich hätte es nicht mehr geschafft, meinen treuen lahmen Gaul am Halfter die 2 km nach Hause zu führen und in Bus und Straßenbahn hätte ich es im Feierabendverkehr nicht mitnehmen dürfen...