"Guuude, Ihr Bappsäck, ähm Schnarchsäck!', grüßte uns Karl am Freitagmorgen freundlich online. Grund genug, seinen Gruß ebenso zuvorkommend zu erwidern:
"Guuuude, werther Bruder Karl! Bappsäck sind wir auch, jehntfallz fällt der Dreck erst bei intensiver Behandlung mitter Wurzelbürste wieder ab. Das Klassenziel Hökster GdV (Grad der Verwilderung) hamwa erfolgreich überschritten und gelten im Zeltlager nun als Streber. Seltsamerweise freut sich keiner tüchtich mit uns. Stattdessen wird kollektief abgereist 😁", tönte ich bester Laune. Die vielen Abreisenden hätten mir zu denken geben sollen.
Stattdessen berieten Ines und ich nach einem ausfüüüüüührlichen Frühstück über die Gestaltung unseres allerletzten wilden Urlaubstages am See und beschlossen, in ihm unsere Astralkörper bei einem fröhlichen Ballspiel zu ertüchtigen. Hierbei wurden vor allem unsere Lachmuskeln gestählt, bis, ja bis der wieder einmal kräftige Wind unseren hübschen, mit bunten Meerestieren verzierten Ball zu neuen, für uns unerreichbaren Ufern trieb. Er hatte sich auf den Weg gemacht...
Ein bisschen traurig widmete ich mich ein letztes Mal dem fast schwerelosen Schweben auf der Wasseroberfläche, guckte träumend in den Himmel und verschluckte mich heftig an einer dreisten Welle, die mir ins Gesicht schwappte. Noch ein Zeichen...?
Wir machten uns daraufhin auf den langen Weg bergauf zur Dusche und stutzten ordentlich, als unsere Transponder bei der Eingangskontrolle nicht mehr funzten. "Abgelaufen", meinten beide einhellig - das konnte gar nicht sein. Bevor wir uns erbost an der Rezeption beschweren konnten, stellten wir glücklicherweise selbst fest, dass wir tatsächlich nur bis Freitag, den 17. August 2018 gebucht hatten und an diesem frühen Nachmittag längst schon hätten verschwunden gewesen sein müssen. Peinlich - so etwas hätte mir nicht passieren dürfen. Normalerweise bin ich in diesen organisatorischen Dingen nahezu perfekt. Nahezu...
Nach der Mittagspause baten wir freundlich an der Rezeption, unseren Aufenthalt um einen Tag zu verlängern und die Transponder zwecks Duschen und Toilettenbesuch wieder freizuschalten. NOPE! Die Rezep-Tusse stellte sich stur, motzte uns an, dass wir schon längst hätten abbauen und verschwinden müssen, schließlich würden die nächsten Kunden bald schon auf unseren Wasserplatz warten. Unser Hinweis, dass direkt neben uns noch ein Wasserplatz frei war und in den letzten Tagen diversen Umzugswünschen stattgegeben wurde, blieb unbeachtet. Die Rezep-Tusse ließ absolut nicht mit sich reden und so blieben wir eben dreckig und packten wütend zusammen, als die nächsten Kunden bereits auftauchten. Sie gehörten zu unseren einzigen noch verbliebenen Zeltnachbarn, gesellten sich zunächst noch einigermaßen freundlich zu diesen und tranken gemütlich das eine oder andere Bier, während sie uns schwitzenden Campingschweinchen bei der Arbeit zusahen. Ines fegte gründlich das ganze Zelt von innen und außen, während ich sorgfältig unsere Wirtschafts- und Vorratskiste aufräumte. Die Ungeduld nebenan wuchs erfreulicherweise angesichts unserer passiven Aggressivität und gipfelte in ein unfreundliches "Wie lange braucht ihr noch?!!!".
Zum Abschied wies Ines die Herrschaften noch höflich darauf hin, dass es dort, wo sie herkommt, nicht üblich ist, Fremde einfach zu duzen.
Fort mit Schaden - Arsche lecken trallala. Frau Üpsilon fuhr uns beschwingt vom Platz direkt zu unserem absoluten Lieblings-Antik-Café mit traumhaften Torten. Die Seelentröster im Antiquariat hatten wir uns redlich verdient...
Satt und halbwegs getröstet ging es danach zurück nach Leipzig. Nach einem romantischen Sonnenuntergang über der Elbe war es verdammt cool, zu den Klängen von Orphaned Lands Mabool (ein Metal-Album über die Sintflut) in den Weltuntergang über Leipzig einzureiten.
Seit gestern Abend gegen 22:30 Uhr bin ich nun wieder zu Hause in Frankfurt. Und vermisse Ines und unsere Abenteuer in der Wildnis. Die Zeit ist unglaublich schnell vergangen und war allen Imponderatten zum Trotz eine sehr schöne, verwegene. Wir beide schätzen es sehr, das Dasein für eine absehbare Zeit auf das Wesentliche herunterzufahren, zu improvisieren, zu vereinfachen, zu verwildern, in der Hängematte schaukelnd dasselbe zu genießen, ohne ständig gehetzt etwas müssen zu müssen. Auch wenn einige Verrichtungen viel komplizierter umzusetzen waren als zu Hause, wie von Ines so treffend illustriert...
(Sämtliche Zeichnungen unten sind von Ines. Ich kann noch nicht einmal einen Buntstift richtig rum halten...)
Das für uns zuständige Sanitärgebäude befand sich Meilen entfernt auf einem Berg jenseits der Baumgrenze. Insbesondere der frühmorgendliche Aufstieg vom Seeniveau gestaltete sich mit zusammengekniffenen Beinen schwierig.
Ähnlich aufwendig war daher die Zahnhygiene, so dass sich der eine oder andere Zahnersatz selbständig um seine Pflege kümmern musste.
Dennoch entspannten wir im Gegensatz zu einigen anderen Zeitgenossen prächtig...
... so dass sich das Universum mit einem formidablen Unwetter an uns rächte. Unser Zelt wackelte wie blöd, eine Sandhose fand ihren Weg ins Innere, verdreckte konsequent alles und ich hatte richtig Schiss vor den Blitzen. Was wäre, wenn sie den trockenen Wald in Brand setzten? Wohin sollten wir fliehen? Der See wäre die einzige Möglichkeit gewesen...
Dummerweise hatte ich Ines vor dem Unwetter schaudernd erzählt, dass Kugelblitze mitnichten nur eine urbane Legende sind. Daraufhin hatte diese böse alte Rumpentrumpenweib nichts Besseres zu tun, als mir während der zahlreichen Gewitternisse jener Nacht aufzuzeigen, welche Möglichkeiten so ein Kugelblitz hatte, in unser Zelt einzudringen...
Am nächsten Tag war es sehr viel kühler und vor allem windiger. Wir schlotterten tüchtig.
Dennoch gab es auch sehr schöne Naturereignisse und so habe ich die allererste Sternschnuppe meines nicht mehr ganz so jungen Lebens bewusst wahrgenommen. Am Folgetag zeigten sie sich allerdings nicht ganz in Form:
Darüber hinaus verbrachten wir sehr angenehme Stunden in den beiden kleinen Städtchen Malchow und Plau in der Nähe unseres Campingplatzes.
Plau an der Elde und am See.
Dat Fischerhus in Malchow - und Danke für den Fisch. Wels, Saibling, Zander und die Gastfreundschaft waren ein Fest. Wir kommen wieder!
Während es mit den Menschen in Meck Pomm nicht immer so ganz reibungslos lief (diverse Servicekräfte hatten Gastfreundschaft gegen Ende der Saison offensichtlich nicht mehr nötig), hatten wir neben den wunderbaren Bären aus dem Bärenwald noch andere höchst erfreuliche Begegnungen mit Tieren.
Wobei die gemeine Kalaschnikowmücke allerdings unangenehm aus dem Rahmen fiel...
Jetzt ist unsere Zeit in Zislow endgültig Geschichte, unser Urlaub leider vorbei.
Die Welt braucht sich aber keinesfalls in Sicherheit zu wiegen, denn...