nachtlicht im sonnentempel
Fast erstickt
am Müll unserer Zivilisation
fed up with all of this
Schnauze übervoll.
Meine Ohren tun mir weh
vom Lärm dieser Zeit
ich schließe die Augen
geblendet von verheißungsvoller Werbung
um meine Gunst ganz bestimmt nicht und doch
ist sie als Zeitgespenst allgegenwärtig.
Ich hetze durch Tage mit zu wenig Stunden
wie auf der Flucht
ein getriebenes Tier, das versucht,
so vielen Anforderungen wie möglich gerecht zu werden
und den bergab polternden Stein
kaum noch einzuholen vermag
um ihn wieder und wieder den Berg hinauf zu stoßen
-
Den Hunger nach Leben
vermag der Überfluss nicht zu stillen
Überdruss
satt!
Beziehungswahn, Sinn? foltert
doch allein sind wir Loser
Freizeitgestaltung als Pflichtprogramm
wer nichts tut, hat schon verloren
Fun um jeden Preis!
App sei Dank läuft das nun alles technisch
ohne unser Zutun
selbst das Wetter liest sich die Onlinevorhersagen durch
und reagiert dementsprechend
Dreimal hoch
lasse ich mich passiv leben
doch mit welchem Ziel?
Was soll diese bescheidene, mehr als überflüssige Veranstaltung?
Das AufgedrEngte nimmt mir die Luft
Stress füllt mich ab
kommt mir zu den Ohren wieder hinaus.
Mein Dasein lebt mich wie einen Brummkreisel,
der sich immer schneller um seine eigene Achse dreht
und den Weg nicht mehr sieht.
Mir ist so unendlich schwindelig
ich will die Zivilisation aus mir rauskotzen
meinen Kopf anhalten
und endlich Stille atmen.
Für immer ist immer noch besser als gar nicht.
Ein giftiger vERFOLGungswahnstachel ist dicht hinter mir
und ich fliehe Hals über Kopf und mitten am Tag vor diesem Insekt
werfe mich in ein Auto und fahre, fahre, fahre
durch Massen von stinkendem Blech
verliere mich in Staus
und Autobahnen bekreuzigen sich.
Ich ertrage diese Welt nicht mehr
und spüre einen enormen Leitplankenmagnetismus
jenes Brückengeländer lässt sich mit Tempo 180 doch sicher durchbrechen
und dann fliege ich… für immer?
Nein, das ist feige.
Ich reiße mich zusammen, versuche, mich durch den Tränenvorhang und den Hitzewall hindurch zu konzentrieren, werde ruhiger. Und nun vermag ich ihn wahrzunehmen, den eindringlichen Ruf jenes Ortes der Stille… Und obwohl er mich magisch anzieht, fühlt sich das ganz anders an als die von mir so gehasste Fernsteuerung, die in meinem Leben Regie zu führen scheint, lässt mich die unerträglich anmutenden Stunden auf der Autobahn aushalten. Endlich liegen sie hinter mir, die Straßen werden schmal, Landschaft überwiegt. Ich fahre nun langsamer, durch Hügel und Felder, passiere kleinere Ortschaften, verfahre mich, fluche, kehre um, denn immer intensiver spüre ich die wachsende Anziehungskraft meines Ziels. Die gnadenlose Sonne sinkt endlich und die Schatten werden länger. Ich parke, stürze mich aus dem Auto, renne durch Felder und Wiesen. Weg, nur weg, ich kann nicht mehr. Atemlos nähere ich mich dem Graben, sehe schon die beiden hölzernen Kreise mit ihren Ein- und Ausgängen und hoffe von ganzem Herzen, dass ich niemandem begegnen muss. Ich bin allein, welch ein Glück.
Völlig überdreht und zu Tode erschöpft stehe ich in der Mitte des inneren Palisadenkreises, entziffere die Himmelsrichtungen, sehe, wie sich die letzten Sonnenstrahlen ihren Weg durch das westliche Tor suchen, bevor sie in einer schwarzen Wolkenbank verschwinden. Die drückende Schwüle ist unerträglich geworden, ich schwitze wie ein Schwein, hab das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Es fühlt sich an wie eine Schraubzwinge, die meinen Brustkorb umgibt, mir ist so entsetzlich übel und alles dreht sich in meinem Kopf. Kein Windhauch weht mehr. Die Natur scheint ihren Atem anzuhalten. Ich habe unglaubliche Angst vor dem, was da auf mich zukommt, was auch immer das sein mag. Könnte ich doch einfach ohnmächtig werden - aber das passiert mir nicht einfach so, daher bleibt mir diese Fluchtmöglichkeit auch jetzt verschlossen.
Jäh wirbeln Staub und trockene Blätter durch die Luft und ein fahles, schwefelgelbes Zwielicht scheint so etwas wie den Weltuntergang anzukündigen. Es ist still geworden, unheimlich still, bis mich plötzlich ein greller Blitz blendet. Der Donner knallt ohrenbetäubend. Schwarze Wolken überall, mein Herz rast, ich habe doch so furchtbare Angst vor Feuer und Gewittern, was tue ich nur hier draußen? Soll ich so schnell ich kann zum Auto zurück rennen? Ich überlege zu lange, schaffe es nicht, meine Füße vom Boden zu lösen. Ich langes Wesen wäre ein willkommener Blitzableiter, geht es mir durch den Kopf. Als der nächste Blitz den Himmel spaltet, lasse ich mich auf das trockene Gras fallen, mache mich so klein wie möglich und vergrabe meinen Kopf unter meinen Armen. Das Dröhnen des Donners lähmt meine Glieder, ich bin der Natur ausgeliefert. Und das nutzt sie schamlos aus. Es scheint sich nicht nur um eine einzige Gewitterfront zu handeln, die sich an diesem heißen Nachmittag zusammengebraut hat. Meine Kehle ist furchtbar trocken und mein entsetzlicher Durst gaukelt mir die Wahrnehmung seltsamer erdfarbener Wesen vor, die entfesselt um mich herum tanzen und sich über mich lustig machen. Wieder weht mir Staub ins Gesicht, bevor mich ein Inferno aus Blitzen und Donner überwältigt. Ein gleißender Blitz zerfetzt zunächst den schwarzen Himmel und dann wohl einen Baum, denn ich höre nach dem Knall Holz bersten. Ich huste, meine Kehle ist verdorrt, ich will Wasser, endlich Wasser… doch es regnet nicht und selbst mein Weinen ist schon vor Stunden versiegt. Fiebrig schnappe ich nach Luft, atme nur wieder Staub und Sand, will schreien, doch nur ein heiseres Krächzen geht mir über die Lippen. Das kann nur ein schrecklicher Alptraum sein, warum wache ich nicht auf? Und wenn das alles hier wirklich wahr ist, warum erschlägt mich nicht endlich ein gnädiger Blitz? Ich flehe um Erlösung, röchele und endlich, endlich spüre ich riesengroße Tropfen auf meinen Rücken klatschen. Binnen Sekunden bin ich durchnässt, bilde mit meinen heißen Händen eine Schale, lecke gierig die kalten Tropfen, die sich in ihr sammeln, recke meinen Kopf gen Himmel und lasse die Regenbäche direkt in meinen Mund stürzen. Nicht nur der Himmel hat nun seine Schleusen geöffnet, auch ich laufe über, lasse mich von meinem Weinen schütteln, schreie meinen Schmerz, meine Pein, meine Erleichterung aus mir heraus, mache dem Regen Konkurrenz. Ich liege bebend im Matsch, immer wieder schütteln mich Heulkrämpfe, mir tut schon alles weh. Und doch kann ich nicht aufhören, weine und weine, überall rinnen Tropfen, bilden sich Pfützen. Das Gewitter hat sich noch lange nicht ausgetobt, Hagel peitscht meinen zuckenden Körper und auch der Donner ist noch immer ohrenbetäubend. Ich wehre mich nicht mehr, weder gegen die Naturgewalten, noch gegen die Energien aus meinem Innern, die sich so heftig entladen. Ich lasse es geschehen, gebe mich den Fluten hin.
Irgendwann wird mein Weinen leiser und auch der Regen lässt nach. Die bleierne Dunkelheit ist der Dämmerung gewichen. Zu Tode erschöpft rappele ich mich halbwegs auf, zu schwach, wieder aufzustehen. Ich taste nach meinem Rucksack, finde nichts außer einem ersoffenen Handy, einer leeren Limoflasche und zwei Müsliriegeln, deren Verfall auch schon vor einiger Zeit hätte stattgefunden haben sollen. Mein Magen knurrt laut und so besänftige ich ihn mit dem Körnergebrösel. Da diese beiden Exemplare im Gegensatz zu mir knochentrocken sind und in meiner Kehle stauben, dippe ich sie vor dem Verschlingen in die nahe gelegene Pfütze. Aus meinem Grinsen darüber wird ein herzliches Lachen. Inzwischen ist es fast ganz dunkel geworden. Ich fühle mich noch immer viel zu müde und schlapp, um zum Auto zurückzukehren. So durchforste ich nochmals den Rucksack und finde tatsächlich die klein zusammengefaltete, metallisch schimmernde Rettungsdecke. Ich hole sie aus ihrer Hülle, schlage sie auf und wickele meine aufgeweichten Überreste in sie ein. Ich bin so unendlich müde, will nur noch schlafen, endlich in Frieden schlafen…Ich bette meinen schmerzenden Kopf auf den Rucksack, liege auf dem Rücken und sehe die ersten Sterne über mir funkeln. „Nachtlichter sind das“, denke ich, und fühle mich nicht mehr allein. Während ich an die Menschen denke, die diesen Ort vor so vielen tausend Jahren seiner Bestimmung übergeben haben, geht mir durch den Kopf, wie wenig ein Mensch doch zum Leben braucht: Wasser, Körner, Wärme…
Ein wohliges Gefühl hüllt mich ein und meine Gedanken machen sich selbständig, verlassen unbeschwert den Boden der Tatsachen. Mein Bewusstsein wird federleicht, ein unbefangenes Schweben zwischen Raum und Zeit.
Ich bin nicht mehr allein im Sonnenobservatorium. Hast du in Leipzig gespürt, dass ich in Goseck bin? Du bist nicht erstaunt, mich hier zu finden und mich wundert inzwischen sowieso nichts mehr. Du breitest eine Picknickdecke neben uns aus, wickelst mich aus dem knisternden Umhang, ziehst mir meine nassen Klamotten aus. „Setz dich nur ins Trockene“, sagst du leise und legst mir eine Wolldecke um die Schultern. Ich schlottere und kann vor lauter Zähneklappern kaum sprechen. Du reichst mir etwas zu trinken, setzt dich neben mich, nimmst mich in deine Arme, wärmst mich. Wir brauchen keine Worte, verstehen uns schweigend und meine Tränen tropfen schon wieder. Du legst dich hin, ziehst meinen Kopf an deine Brüste und ich weine, weine, weine. Du hältst mich fest, streichelst meinen Rücken und ich durchnässe dein T-Shirt, bis auch dir kalt wird. Du ziehst es aus und wir schmiegen uns aneinander, um uns zu wärmen, die wollene Decke eng um uns gezogen. Davon habe ich geträumt, allein im Café, im
Novemberregen
überdauernd die Zeit
Der Weg nach Narmada
Ist noch wie weit?
Ohne Wollen kein Leben
zuviel davon ist Gier
aber auch sehr viel Wärme
wie das Kuscheln mit …
der Katze zwischen uns.
Sie genießt liebkosende Hände,
die vorsichtig einander ausweichen,
in ihrem weichen Fell.
Wie ein Puffer
nimmt sie die zärtliche Sehnsucht in sich auf
und verarbeitet sie zu einem
genüsslichen Schnurren.
Wo fängst du auf,
wo höre ich an?
[Regina Versen, 16. November 2010]