Ein schwerer Rückfall in einen Ausnahmezustand ist mir widerfahren. Und das mir, die ich stets ruhig und gelassen, betont sachlich, ohne besondere Emotionen zu äußern Konzerte besuche. Am Sonntagabend im Kfz in Marburg habe ich den Hals nicht voll bekommen, so dass ich mir zwei Tage später das gleiche Konzert mit demselben Künstler gleich noch einmal geben musste, dieses Mal ein klein wenig weiter östlich – in der Dreikönigskirche in Dresden.

Nach dem, was Serj Tankian mit mir angerichtet hatte, war ich mir sicher, dass mir in meinem doch schon recht betagten Zustand so etwas so schnell nicht wieder passieren würde. Weit gefehlt – intensive norwegische Klänge, ein zutiefst zufriedenes Lächeln und schon war es um das Nachtlicht geschehen. Ausgepustet, aber so was von.

Nicht nur Terjes Eismusik, sondern auch seine „ganz normalen“ Darbietungen waren absolut grandios - Töne, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen, die unendlich viel Sehnsucht nach Norwegens Wildnis wecken, ein Künstler, dessen Strahlen auch die miesesten Petris vertreibt und auch das traurigste Herz lächeln lässt. Herzlichen Dank, Terje, für diese beiden überwältigenden Abende. Ich weiß, du hättest beide Male noch länger gespielt, wenn die Instrumente nicht geschmolzen wären :-)

Während die Location in Marburg, das Kfz, sehr überschaubar war, das Publikum vor der kleinen Bühne daher eng zusammenrücken musste und die Temperaturen dem Siedepunkt bereits vor dem Konzert sehr nahe kamen, zeigte sich die Örtlichkeit in Dresden sehr viel günstiger für alle Beteiligten. In der Dreikönigskirche war es angenehm kühl, die Platzverhältnisse auf der Bühne und für das Publikum großzügig bemessen. Im Gegensatz zum verregneten Marburg war es in Dresden ausgesprochen sonnig, so dass Ines und ich die Zeit bis zum Konzertbeginn äußerst angenehm draußen direkt hinter der Kirche in einer Tapas-Bar verbringen konnten.

Längst hatten wir Terjes Eisschrank auf Rädern erblickt und uns daher strategisch ausgeklügelt mit direkter Aussicht auf Kirchenhintertürchen und Kühlaggregat nebeneinander an einen Tisch gesetzt. „Der zeigt sich vor dem Konzert sowieso nicht draußen“, meine Ines und so hatten wir Zeit und Muße genug, uns kulinarischen Genüssen zu widmen. Die kühlen Getränke kamen gut und noch besser die beiden großen Teller mit kalten und warmen Tapas, auf die wir uns hungrig stürzten. Bis, ja, bis unsere Gabeln urplötzlich in der Luft stehenblieben, ihre Inhalte von derselben plumpsten und wir angesichts eines großen Jungen in Jeans und T-Shirt, der den Eisschrank für ein Kameramteam öffnete und diesem seine Eisinstrumente zeigte, in hysterisch-pupsitäres Gekicher ausbrachen. Terje leibhaftig! Knallroten Kopfes kommentierten wir japsend, was direkt vor unseren Tellern vor sich ging und kriegten uns kaum wieder ein. Der Abend ging ja gut los!

Später, nachdem wir uns ein klein wenig beruhigt hatten, setzten wir uns relativ gesittet wiederum in die erste Reihe der Kirche. Terje erschien beinahe pünktlich auf der Bühne und legte sofort los. Spielte ein (glücklicherweise) nicht enden wollendes 1. Stück, zeigte mit den verschiedensten konventionellen Perkussionselementen (Steine, Äste) die Vielfältigkeit seines phantasievollen Könnens. Im weiteren Verlauf ließ er sein Maul trommeln – unglaublich, welche Klänge Terje diesem winzigen Instrument zu entlocken vermochte.

Dummerweise hört auch dieser Konzertbericht vor seinem Ende auf; ich bin einfach nicht dazu gekommen, ihn früh genug weiterzuschreiben. In der Zwischenzeit sind meinem und meines Rentners Altersheimer sei Dank die überwältigenden Eindrücke der beiden Eiskonzerte zu einem großen und guten Gefühl verschmolzen. Drum bin ich einfach mal so dreist und verweise an dieser Stelle auf Ines wunderbaren Bericht zum Konzert in Dresden.

Die beiden Bilder oben stammen aus dem Konzert im Kfz in Marburg, wo die Instrumente zum einen unter den tropischen Temperaturen innerhalb der Location, zum anderen unter einer Panne in ihrem fahrbaren Kühlschrank, dessen Thermometer morgens +5° Celsius anzeigte, litten. Sie waren zwar sehr hübsch anzusehen, durften aber angesichts ihrer Vergänglichkeit nicht so lange draußen spielen.

Meine rechte Hand wasche ich nie wieder. Die hat Terje mir nach dem Konzert sehr herzlich geschüttelt, als ich ihm erzählte, dass ich auch schon in Marburg dabei war und beide Konzerte "absolutely amazing" fand. Und auch meine akustische Beobachtung zum besseren Klang in Dresden (allein die Dreikönigskirche war für ein solches Konzert sehr viel besser geeignet als die enge Garage in Marburg) teilte Terje begeistert, wobei er den besseren Sound allerdings damit erklärte, dass die Instrumente in Dresden sehr viel kälter waren.

Ich liebe Menschen, die in dem, was sie tun, aufgehen.

 

Diese Versunkenheit in seine Kunst, die Verzückung, die diesen großen, starken Mann wie ein Kind urplötzlich überkommt und verklärt lächeln lässt...

 

Wenn dieser Mann erfüllt leuchtet, dann strahlt

 

das Nachtlicht